Buchhaimer Dungeoncrawl Teil 2: Vom Buch zum Spiel

19.07.2012
Von der Vielzahl der fantastischen Kreaturen und Schauplätze, die Walter Moers in seinen Zamonienromanen erdacht hat, ist mir bisher nichts so sehr als Vorlage für das Rollenspiel ins Auge gefallen wie die Suche nach wertvollen alten Schriften in den Katakomben von Buchhaim.

Nachdem der erste Artikel zu diesem Thema das Quellmaterial vorgestellt und die geringfügigen nötigen Veränderungen für eine Adaption ins Rollenspiel analysiert hat, mache ich mir nun Gedanken über die konkrete Systemwahl.


Auf der Suche nach dem passenden System
Wie schon in meinem ersten Artikel erörtert, stellt ein Dungeoncrawl in den Buchhaimer Katakomben keine großen Ansprüche an ein potentielles Regelsystem. Die einzige Anpassung, die man sich genauer anschauen muss, ist die im Vorfeld besprochene Reduzierung von Magie auf subtilere Effekte mit längerer Vorbereitungszeit nach dem Vorbild von Alchemie und Buchimie. Zudem mag es Sinn machen, schlicht die Beschreibung der einzelnen Zauber von der fulminanten Anwendung roher arkaner Kräfte auf dezentere, literarisch angehauchte Effekte abzuändern und die rein mechanistischen Auswirkungen beizubehalten.

Auch stellt sich die Frage, wie die Vielzahl an exotischen Kreaturen, die Zamonien bevölkern, in eine Spielerrasse konvertiert werden kann. Zum Glück aber beschränkt sich Moers oft nur auf die Nennung diverser Speziesnamen, mitunter kommen noch Details wie zusätzliche Gliedmassen, Körpergröße oder typische Verhaltensweisen hinzu - Eigenschaften also, die sich oft schnell im System der eigenen Wahl selber basteln lassen.

Die einzelnen Systeme, die ich nach dieser Auflage betrachtet habe, boten sich zumeist - mal mehr oder weniger altmodisch - an für die Schatzsuche in Verliesen, andere erfreuen sich schlicht einer gewissen Beliebtheit bei der aktiven Spielerschaft, und wieder andere sind einfach persönliche Favoriten.
Die Notation von Attributsnamen, Fertigkeiten und Sonderfertigkeiten halte ich der Einfachheit halber durchgehend im englischen Original, da mein Google-Fu diese als erste Ergebnisse ausgespuckt hat.


Dungeons & Dragons 3.x
Als der Urahn des klassischen Dungeoncrawls ist DnD in seinen diversen Inkarnationen natürlich eines der ersten Systeme, das sich anbietet. Während die meisten im d20 SRD aufgelisteten Klassen auch gut zu Zamonien passen, sind Sorcerer und Wizard allerdings gute Beispiele für die effektvollen Zauber, die so gar nicht zu der subtilen Art der zamonischen Alchemie passen.
Eine Alternative kann sein, diese beiden Klassen rigoros zu streichen. Alternativ kann man ihre Spruchlisten schlicht auf die Schulen Divination und Enchantment beschränken, was beim Wizard als Option der School Spezialisation auch angeboten wird. Bei letzterer Variante böte sich dann zudem mit dem Loremaster eine Prestigeklasse an, die die Schule Divination perfektioniert.
Auch der Cleric zeichnet sich meist durch spektakuläre Wunder aus, passend wären allerdings die Domänen Artifice und Runes.
Bei der Auswahl an Feats mag es Sinn machen, Spell Feats und Metamagic Feats ebenfalls zu streichen. Item Creation Feats hingegen passen sehr gut zu den Buchimisten in ihren Werkstätten.


DnD 4e
Auch wenn DnD in der 4. Edition eine radikale Neuinterpretation war, so zeigen sich doch vergleichbare Probleme in der Interpretation der Magie wie beim Vorgänger. Studiert man das 4e SRD (pdf), so zeigen sich bei den schon oben genannten drei Klassen die effektvollen und wenig zu Zamonien passenden Kräfte, als vierte Klasse dieser Art gesellt sich der Warlock hinzu.
Lässt man die klerikalen und magischen Klassen weg, so empfiehlt es sich ausserdem, auf die Fertigkeit Arcana zu vezichten.
Da auch die anderen, nichtmagischen Klassen gerade in DnD 4e über sehr überkandidelte Kräfte verfügen, mag DnD 4e generell nicht die beste Wahl für das Setting sein. Andererseits bieten die sehr geradlinigen Regeln für das schnelle Entwickeln von Begegnungen in Form von Components, Dressings und vielfältigen Nicht-Kampf-Herausforderungen einen griffigen Baukasten für die Buchhaimer Katakomben. Hier muss der Geschmack der Gruppe entscheiden...


Pathfinder
Das oftmals ironisch als DnD 3.8 bezeichnete Pathfinder kämpft ebenfalls mit der effektvollen Magie seines Urvaters. Allerdings offenbart auch hier ein Blick in das PRD-Dokument Alternativen zu den etablierten Klassen. Die neue Klasse Magus aus dem Quellenbuch Ultimate Magic ist für angehende Librinauten interessant ob ihres Spagats zwischen Buchwissen und Kampfkunst, auch wenn seine Spruchliste eventuell etwas modifiziert werden müsste. Alternativ könnte man auch hier Zauber auf die Schulen Divination und Enchantment reduzieren.
Zudem offeriert die Klasse Alchemist aus dem Advanced Player's Guide eine gute Grundlage für den zamonischen Buchimisten, zumal viele seiner Sprüche eher die Subtilität der dortigen Zauber haben.


True20
Das in meinen Augen sträflich vernachlässigte True20 (SRD) ist wegen seiner ungeheuer entschlackten Regeln und sehr vielseitigen Charakteroptionen meine favorisierte Fassung von d20. Bereits die Reduzierung von Anwendern übernatürlicher Kräfte auf den generischen Adept macht es einfacher, diese Klasse an die Vorgaben Zamoniens anzupassen. Um die Auswahl der verfügbaren Zaubersprüche einzugrenzen, bietet zudem das Quellenbuch Adept's Handbook die Option der Supernatural Philosophies, so zum Beispiel Astral Magic, Elementalism oder Technomancy. Neben Vorraussetzungen an erlernten Feats und einem Schlüsselattribut nennt jede Philosophy etwa 10 Kernkräfte und 5 verbotene Kräfte. Während die bereits angebotene Philosophie Runes gut zu einem Librinauten passt, sollte es ohne weiteres möglich sein, die Bibliomantie als neue Option zu entwickeln.


Labyrinth Lord
Dieses System im Geiste des allerersten DnD bindet Zaubererei rigoros an eine Kombination aus Klasse und Spezies: Den Wizard und den Elf. Da auch auch hier die Magie wieder die DnD-typischen fulminanten Effekte umfasst, wäre es auch hier ein einfaches, diese beiden Spieleroptionen schlicht zu streichen - zumal man augenzwinkernd begründen könnte, dass es trotz der Vielzahl an exotischen Kreaturen auf Zamonien so etwas simples wie Elfen eben nicht gibt...


Dungeonslayers
Auch das altmodische Rollenspiel orientiert sich stark am Klassengerüst von DnD sowie dessen fulminanten Sprucheffekten. Von den drei möglichen Zauberwirkenden eignet sich der Heiler noch am ehesten für das Spiel in Zamonien, ebenso die darauf aufbauende Heldenklasse des Mönchs. Allerdings wäre auch der Blutmagier, eine den offensiven Schwarzmagier fortführende Heldenklasse, mit etwas erzählerischer Fantasie eine gute Vorlage für etwa einen Tintenmagier, der eben buchimistische Geheimnisse zur Manipulation des eigenen Körpers nutzt.


Savage Worlds
Das schnelle! furiose! spassige! Rollenspiel bietet einen generischen Ansatz, in dem die gleiche kleine Liste von Zaubern durch verschiedenen arkane Hintergründe unterschiedlich gewirkt wird. Mit dem Weird Scientist bietet das System auch gleich eine Variante, die sich fast unverändert auf einen Buchimisten übertragen liesse.
Zudem nennt Savage Worlds als einziges der von mir hier aufgelisteten Systeme das Konzept der Trappings: Die Beibehaltung der Sprucheffekte laut Regelbuch, wobei lediglich die erzählerische Beschreibung des Wirkens an die Eigenheiten des Magiers angepasst wird.
Komischerweise ist Savage Worlds auch das einzige System aus meiner Liste, das mich zu entsprechenden neuen Interpretaionen inspiriert:
So erwähnt Moers in Die Stadt der Träumenden Bücher diverse Knotenschriften, die in Phistomephel Smeiks Laboratorium von der Decke baumeln. Buchimistisch behandelte Knotenpeitschen könnten beim Armor-Spruch eine Barriere errichten, beim Bolt Gegnern auf größere Distanz selbständig einen Hieb verpassen, oder bei Entangle Widersacher schlicht fesseln.


Gurps
Auch der Veteran unter den Baukastensystemen bietet in seiner 4. Edition Zusatzregeln, die sich für die Adaption eines Buchimisten eignen. Das Quellenbuch Gurps Magic bietet neben einer ausführlichen Liste von Enchantment-Sprüchen auch diverse Varianten der Magie. Darunter sind neben der Alchemie auch ausführliche Regeln für das Sprechen von Zaubern über Symbole, die Futharkrunen und das Ogham Alphabet.


Exkurs: PiHalbes Zamonienkampagne
Schon vor einigen Jahren hat sich PiHalbe am Rollenspiel in Zamonien versucht und dies ausführlich auf seinem Blog dokumentiert. Seine Runde hat sich allerdings an der großen Handlung des Abenteuerromans orientiert, die die Zamonienbücher nun einmal ausmacht. Regelsystem war das sehr narrative The Pool, das primär mit den Motiven der einzelnen Charaktere arbeitet und sich somit eher für das gemeinsame Erzählen einer großen Geschichte eignet.


Forsetzung folgt: Aus zwei mach drei
Nachdem dieser zweite Teil über den Dungeoncrawl in den Buchhaimer Katakomben schon wieder größere Ausmaße angenommen hat als erwartet, werde ich entgegen meiner ursprünglichen Ankündigung die Möglichkeiten für Abenteuer in diesen Untiefen in einem separaten Artikel besprechen. Darin soll es um die verschiedenen Lokalitäten in den Katakomben selbst gehen, die Kreaturen und Schätze darin sowie die Verbündeten an der Oberfläche.


Dieser Artikel ist Teil des Karnevals der Rollenspielblogs im Monat Juli. Dieser behandelt die Ökologie der Spielumgebung: Dungeons, Szenarien und Spielwelten. Die Moderation liegt bei Björn Jagnow, alle Beiträge des Monats werden zudem in diesem Thread des Forums der Rollenspielblogs aufgelistet.

2 Kommentare:

Dominik hat gesagt…

und warum nicht ein erzählerisches Regelsystem wie z.B Fate oder pdq?

Klaus hat gesagt…

*Natürlich* kann man auch rein narrative Systeme wie beispielsweise Fate nutzen, gerade weil so das ganze umständliche Umschreiben des Magiesystems entfällt.
Allerdings finde ich, daß doch gerade der bewusst herausgepickte Aspekt, im vielseitigen Zamonien nur in Katakomben herumzuwühlen, nach einem stereotypen System mit viel Crunch schreit.

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