[Rezension] Wolsung - Steam Pulp Fantasy

18.11.2012
Willkommen im Fantastischen 19. Jahrhundert des Rollenspiels Wolsung - Steam Pulp Fantasy! Die magisch-industrielle Revolution ist im vollen Gange und bringt mechanische Golems, besessene Differenzmaschinen und furchterregende Stahldrachen hervor, während die Nationen des Kontinents Vanadia versuchen, sich von den verheerenden Folgen des Großen Krieges zu erholen. Und dennoch ist ein Großteil der Welt noch unerforscht und harrt der Abenteurer, die dort filmreife Abenteuer erleben wollen.


Das Produkt

Das Rollenspiel Wolsung - Steam Pulp Fantasy, vollmundig untertitelt als "a game of cinematic action", erschien ursprünglich im Jahr 2009 beim polnischen Verlag Kuznia Gier. Wolsung stammt aus der Feder von Artur "Garnek" Ganszyniec, der beim Grundregelwerk Unterstützung von Maciej Sabat hatte. Im polnischen Original sind bereits mehrere Quellenbücher mit zusätzlichen Spieloptionen oder Hintergrundbeschreibungen erschienen, von denen das erste auch schon in englischer Fassung angekündigt ist.



Die im Herbst dieses Jahres erschienene englische Fassung wird von Studio 2 Publishing herausgebracht, der deutsche Vertrieb ist die vor allem durch das Detektivrollenspiel Private Eye bekannte Redaktion Phantastik.
Das 512 Seiten starke Softcover im Format B5 kostet $29,99; hierzulande ist es für 25,00 bis 30,00 Euro beim gut sortierten lokalen Händler oder im Netz erhältlich. Die schiere Seitenzahl mag auf den ersten Blick zwar einschüchternd wirken, diese wird aber durch das kompakte Format relativiert.

Das Innenleben des Bandes präsentierten sich auf ungebleichtem Papier durchgehend in schwarzweiss und zweispaltigem Layout. Rechtschreib- oder Grammatikfehler finden sich keine, nur wenige Trennungsfehler haben sich in den Text eingeschlichen. Häufige Kästen mit Zusatzinformationen und Illustrationen, deren Niveau nach meinem Empfinden zwischen gutem Hobbyniveau und Profi schwankt, lockern den Textfluss ansprechend auf.
Ausführliche Querverweise zu wichtigen Regelbegriffen und Abschnitten sowie ein ausführlicher Index runden das positive Gesamtbild ab und machen Lust auf die Lektüre.

Auf der Homepage findet sich neben diversen Charakterbögen und Karten noch eine Testdrive-Version (pdf) mit spielbaren Kurzregeln und eine World Tour (pdf) als Überblick über die Hintergrundwelt.


Die Regeln
Wolsung unterscheidet zwischen 4 Archetypen, die nicht etwa wie im Rollenspiel weit verbreitet Klassen oder Berufe abbilden, sondern gezielt festlegen, was eine Figur im Spiel erlebt:
  • Der Daredevil stürzt sich in gewagte Manöver und sucht die physische Herausforderung.
  • Den Explorer reizt das Unbekannte, an dem noch nie jemand zuvor gewesen ist.
  • Der Investigator löst Rätsel und große Mysterien und ist stets auf der Suche nach der richtigen Spur.
  • Der Socialite ist unübertroffen im gesellschaftlichen Umgang, erfreut sich weitreichender Kontakte und findet immer das richtige Wort.
Jede Figur kann zudem wie oben beschrieben eine Handkarte ablegen, um je nach Kartenfarbe der Geschichte ein neues Element hinzuzufügen: Beim Daredevil können dies Ablenkungen oder Deckung sein, beim Explorer Trophäen, der Investigator findet vielleicht einen neuen Verdächtigen und der Socialite bringt neue Emotionen ins Spiel.
Schon hier zeigt sich, wie sehr die Regeln von Wolsung darauf bedacht sind, jedem Spieler zu ermöglichen, das Geschehen genau nach seinem Geschmack zu beeinflussen.

Attribute
Ingesamt verfügt jeder Charakter über 5 Attribute: Brawn, Agility, Composure, Wits und Charisma. Jedes Attribut kann sich auf Stufe 1 bis 3 befinden; diese gibt an, bei welchem Ergebnis der Würfel erneut geworfen und hinzuaddiert werden darf: auf Stufe 1 (normal) bei 10, auf Stufe 2 (high) bei 9+, und bei Stufe 3 (outstanding) bei 8+.

Von den Attributen werden zudem noch diverse Sekundärattribute abgeleitet, die vor allem in Konflikten zur Geltung kommen: Constitution, Defense, Endurance und Confidence. Zudem wird das Vermögen von Figuren noch als Wealth auf 6 Stufen abstrahiert, von denen Charaktere auf Stufe 3 beginnen; außerdem gibt Fame noch den Würfelpool für Proben an.

Ruhm und Achievements
Anstatt die Entwicklung eines Helden in abstrakten Stufen zu gliedern, erhalten Charaktere für jede Sitzung ein Achievement: Eine spezielle Tat, ein Ereignis oder ein erreichtes Ziel des Spielabends, das den Ruhm der Figur mehrt. Das Regelbuch gibt bereits eine Vielzahl von Beispielen: Eine erlangte Trophäe, eine erfolgreiche Verfolgungsjagd, eine gewonnene Diskussion oder ein öffentlicher Skandal. Sollte sich bei einem späteren Spielabend eine vergleichbare Situationen ergeben, so erhält der Charakter einen Bonus auf seine Proben.

Zudem gibt die Gesamtsumme der Achievements eines Charakters dessen Ruhm und damit dessen Würfelpool an: Während NSCs lediglich 1w10 nutzen, erhält ein Charakter mit 1 Achievement bereits 2w10. Ab 15 Achievements gilt man als berühmt und würfelt 3w10, bei 35+ schließlich ist man legendär und würfelt 4w10.

Tests und Konflikte
Wie in vielen anderen Rollenspielen üblich, muss bei einer Aktion mit ungewissem Ausgang eine Probe gewürfelt werden. Bei solchen Tests - einmaligen Proben - würfelt ein Spieler soviele w10 wie von seinem Würfelpool angegeben und addiert bei einem hohem Ergebnis entsprechend der Attributsstufe einen weiteren Wurf hinzu. Von den nun vorliegenden, zusätzlich von Fertigkeiten oder Ausrüstung modifizierten Ergebnissen der einzelnen Würfel muss das höchste gegen einen festgelegten Zielwert zwischen 10 (leicht) und 50 (unmöglich), oder gegen das Würfelergebnis eines Widersachers bestehen.

Als Konflikte werden in Wolsung alle langwierigen Herausforderungen bezeichnet, die nicht mit nur einem einfachen Wurf abzuhandeln sind. Das System unterscheidet dabei zwischen Kampf, Verfolgung und Diskussion und definiert für jeden Typ einen sogenannten Challenge Pool auf Basis einer Attributsstufe und einen Widerstandswert basierend auf einem Sekundärattribut. Die Challenge Marker entsprechen damit zwar den von anderen Systemen bekannten Trefferpunkten; durch die vom Konflikttyp abhändigen relevanten Attribute kann ein Charakter nur schwer in allen Bereichen brillieren.

Nach Ermittlung der Initiative durch Spielkarten reduzieren dann individuelle Tests mit optionalen Manövern bei Erfolgen die Zahl der Challenge Marker des Gegners, bis eine Seite auf 0 reduziert ist. Ein verlorener Konflikt reduziert zudem das dazugehörige Attribut um 1. Wurde ein Attribut so auf 0 gesenkt, erhält der Charakter eine Narbe, die eine positive und eine gleichwertige negative Auswirkung hat - so etwa +3 auf Einschüchtern und -3 auf Diplomatie.

Sterben kann ein wahrer Held durch verlorene Konflikte nicht, statt dessen gibt es gerade für erfahrene Charaktere die sehr schöne Option des Va Banque-Einsatzes: Der Charakter erhält 3 weitere Challenge Marker, sollte er den Konflikt aber verlieren, ist er endgültig tot. Abhängig von der Konfliktart kann das eben eine tödliche Verwundung, einen fatalen Unfall oder auch den Gang ins Exil bedeuten.

Skills
Die insgesamt 19 Skills umfassen das rollenspielübliche Spektrum von beispielsweise Academics, Brawl, Firearms oder Persuasion. Im ganzen gibt es vier Stufen von Unknown (+0) über Unskilled (+3) und Skilled (+6) hin zur Specialty (+9), die allerdings nur einen Teilbereich wie etwa eine bestimmte Feuerwaffe oder einen der fünf Sinne für die Wahrnehmung umfasst.

Edges
Das Regelwerk von Wolsung listet über 90 verschiedene Sonderfertigkeiten auf, die neben Erfahrungspunktkosten mitunter auch Mindestvoraussetzungen in Form bestimmter Skills oder anderer Edges mit sich bringen. Die diversen Bonuseffekte umfassen diverse Kategorien wie Kampf, Skills, Sozials, Nationen oder Magie und sind im letzteren Falle die einzige Möglichkeit, an arkane Kräfte zu gelangen.

Gadgets
Wolsung hält sich nicht groß mit kleinteiliger Buchhaltung für diverse Ausrüstungsgegenstände auf, nur besondere Gegenstände in Form von Gadgets, die auch mit Erfahrungspunkten erworben werden müssen, finden ihren Weg auf das Charakterblatt. Diese Kosten hängen davon ab, wieviele Effekte der Gegenstand umfasst und wie häufig dieser zur Verfügung steht. Auch hier zeigt sich Wolsung voller umfangreicher Ideen und listet immer Alternativen aus, wie der Gegenstand aussehen kann: Statt eines Kompass etwa ein Atlas oder die Memoiren eines Konquistadoren.
Da die Gadgets somit eindeutig etwas besonderes darstellen, können diese zwar in dramatischen Situationen wie verlorenen Konflikten abhanden kommen, tauchen aber spätestens zu Beginn der nächsten Spielsitzung wieder auf.

Einfluss auf den Spielverlauf: Karten und Token
Wolsung bietet zudem diverse Möglichkeiten, über die ein Spieler seine Resourcen verwalten kann oder direkt neue Elemente in das Spielgeschehen einbauen kann. Dazu erhält jeder Spieler zu Beginn einer Sitzung 3 Spielkarten von einem handelsüblichen Deck, zudem erhält er 6 Token. Diese Elemente kann er während der Sitzung einmalig pro Aktion wie folgt einsetzen:

Karten
  • Initiativereihenfolge ändern, da hierfür ja regulär auch Karten gezogen werden
  • Element entsprechend dem eigenen Archetypen in die Geschichte einbauen
  • Bonus auf Testergebnis oder Widerstand, abhängig von der Höhe der Karte zwischen +3 und +10
  • Automatischer Erfolg, je höher der Zielwert des Tests, desto höher der benötigte Kartenwert

Token
  • +1w10 auf den eigenen Würfelpool
  • +1 auf den höchsten Würfelwurf. Edges können diesen Bonus auf +2 oder sogar +5 erhöhen
  • Neue Karten ziehen
  • Edges, magische Powers oder Gadgets aktivieren

Magie
Arkane Kräfte sind nur über die entsprechenden Edges zugänglich. Wolsung unterscheidet dabei zwischen sogenannten Powers und Spells sowie einzelnen Magieschulen. Die einzelnen Schulen wie etwa Ritualist oder Technomancer bestimmen - auch hier lässt Savage Worlds wieder einmal grüßen - das Aussehen eines gewirkten Zaubers und wie der Magier seine Kräfte wieder auffrischen kann.

Powers sind allgemeine Kräfte, die zunächst nur eine neue Spieloption wie etwa besseres Verbergen bei der Power "Blur" angeben, deren Gelingen an einen Skilltest gebunden ist. Jede Power hat zudem einen Karteneffekt, durch den eine Reihe angegebener Skills zusätzlich zu dem einmaligen Kartenbonus ein zweites Mal durch eine Handkarte gesteigert werden kann. Zuletzt bietet jede Power einen starken Sondereffekt, danach muss die Power allerdings durch einen Token wieder aufgeladen werden.

Spells sind klassische Zaubersprüche, die abhängig von der gewählten Magierschule mit einem Test auf den passenden Skill gewirkt werden können. Auch Spells sind nach einmaliger Nutzung entladen und stehen erst durch einen Token wieder zur Verfügung.


Charaktererschaffung
Nach der Entscheidung für einen der 4 Archetypen wählt man eine der 8 Rassen aus, sowie eine Nationalität, wobei die Staatenzugehörigkeit in Wolsung stärker verbindet als etwa, wie in der Fantasy sonst üblich, die Rasse.



Die Profession schließlich definiert die Rolle in der Gesellschaft und vergibt drei Sonderfähigkeiten: eine Möglichkeit, einmal pro Sitzung einen Token wiederzuerlangen, eine durch einen Token aktivierbare Sonderfähigkeit, sowie eines von 3 möglichen Gadgets - dazu unten mehr - zur Auswahl.

Erst jetzt werden die Attribute bestimmt: Jedes der 5 Attribute beginnt auf Stufe 1 und dem Neuwurf auf 10, drei Steigerungen können verteilt werden. So kann ein Charakter entweder über 3 Attribute auf Stufe 2 beginnen, oder mit jeweils 1 Attribut auf Stufe 2 und 3.

Bei den Skills beginnt jede Figur mit Unskilled (Bonus +3), dazu kommen 5 auf Skilled (Bonus +6) sowie 3 Specialties (Bonus +9).

Für Edges und Gadgedts schließlich stehen 20XP zur Verfügung, allerdings müssen diese nicht vollständig bei der Charaktererschaffung ausgegeben werden und können aufgespart werden. Bei entsprechender Profession oder Edges steht auch noch eine magisch Power oder ein Spell zur Auswahl.

Zum Schluss bestimmt man noch das erste Achievement des Charakters: das besondere Ereignis, für das er schon eine gewisse Bekanntheit erlangt hat und das seinen Würfelpool auf 2w10 steigert.


Erfahrung und Aufstiege
Für die Beteiligung an einer Spielsitzung erhält ein Charakter zwischen 3 und 6XP. Die Steigerung eines Skills kostet 10XP pro Steigerung, die eines Attributs 20XP; und natürlich können für die Punkte auch neue Edges und Gadgets erworben werden.
Zudem sucht man noch ein passendes Achievement aus, das die beste Aktion des Abends zusammenfasst; und natürlich steigen bei einer ausreichenden Zahl an Achievements der eigene Ruhm und der damit zusammenhängende Würfelpool.


Das Setting
Der Schauplatz von Wolsung ist die Welt Urda im ausklingenden 19. Jahrhundert. Urda ähnelt mit ihren Kontinenten und auch ihrer Geschichte sehr stark unser eigenen Erde: Auf der Landkarte finden sich die Entsprechungen Europas, Amerikas oder Asiens, und auch die Historie beinhaltet Analogien zum Römischen Imperium, der Renaissance oder den Napoleonischen Kriegen. Es sind aber die fantastischen Elemente, die Urda eben leicht von dem uns Bekannten unterscheiden - und gerade diese Mischung aus bekanntem und dezenten, gezielt gesetzten Abweichung finde zumindest ich sehr faszinierend.



Der wichtigste Kontinent ist Vanadia, der entsprechend Europa auch seine Version der uns bekannten Nationen bietet: das strenge und technologisch weit fortgeschrittene Wotanien (Deutschland), das Inselreich Alfheim mit weltweiten Kolonien unter seiner Königin Titania (Britannien), das eisige Hrimthorst (Skandinavien) oder das von einem Drachenfluch gebeutelte Königreich Slavia (Polen).

Im steifen viktorianischen Habitus der Gesellschaft tummeln sich in Vanadia neben den üblichen Zwergen, Elfen, Menschen, Gnomen und Halblingen auch Oger, Orks und Trolle. Ausser den genretypichen Klischees - Zwerge als die kühlen Techniker oder Elfen als die herablassenden Adligen - werden auch einige Elemente der Neuzeit mit den Rassenbildern vermischt: So sind die Gnome mit ihrer seltsamen Religion und isolierten Gesellschaft explizit den Juden nachempfunden, während die Halblinge zwar ursprünglich Tolkiens Vorlage der einfachen Landbevölkerung entsprachen, durch die Landflucht Industrialisierung aber zunehmend die einfache Arbeiterklasse in den Fabriken stellen und oft im kriminellen Milieu wiederzufinden sind. Darunter mischen sich Golems, die neben Fabrikarbeit auch in Theatern oder im Militär ihren Dienst tun, den Drachen nachempfundene Flugmaschinen und magische Fixpunkte von konzentrierter arkaner Kraft. Zwei andere fantastische Eigenarten von Urda aber haben die Historie entscheidend geprägt: Die Präsenz von Drachen und Untoten.

Mit den Drachen haben große Führer der acht Völker über die Jahrhunderte haben immer wieder gerungen und für ihren Sieg einen Wunsch gewährt bekommen. Hatten die Echsen in früheren Zeiten noch unüberlegte Formulierungen ihrer Bezwinger zu ihrem Vorteil ausnutzen können, so sind die gebundenen Kreaturen nun der Machtfaktor, der den diversen Monarchien ihren Rückhalt gibt.
Die Untoten, die die seltene und schwierige Transformation zu einem Lich hinter sich bringen konnten und so den Moment des Sterbens verlängern, haben Urda zum Glück nur selten heimgesucht, aber stets Verderben gebracht, wie etwa der Trauernde König zur Zeit der Schwarzen Pest.



Prägendes Ereignis der jüngsten Geschichte ist der Große Krieg. Nach den Wirren des Eroberungsfeldzugs von Rovannon Villianteau - ganz nach dem Vorbild Napoleons - mit Hilfe des Drachen Graumund herrschte zwar ein brüchiger Frieden, aber nach dem technomagischen Aufschwung Wotaniens nutzte das Kaiserreich seine neue Macht, um die Nachbarstaaten anzugreifen. Trauriger Höhepunkt war die Transformation des wotanischen Generals ven Rier zum Lich auf dem für immer verheerten Schlachtfeld von Nordaly; und erst diese untote Bedrohung konnte die Gegner Wotaniens so stark zusammenschweissen, dass das Kaiserreich niedergerungen werden konnte.


Eine Fülle an Material
Neben Regeln und Hintergrund ist das Buch eine Fundgrube für den Spielleiter. Schon die Settingbeschreibung enthält zahlreiche Randbemerkungen zu der Inspiration aus unserer Welt und zahlreiche Abenteuervorschläge für die vier Archetypen in den einzelnen Nationen oder beim Forschen in den einzelnen Epochen.

Das separate Kapitel für den Spielleiter gibt ausführliche Anleitungen für den Aufbau von Erzählbögen, die Einbindung der Spieler und den Aufbau von Konflikten -  für Rollenspielveteranen vielleicht kein Kaufkriterium, aber sicherlich einen Blick wert. Außerdem finden sich noch umfangreiche Listen über mögliche Szenerie und deren Sonderregeln und ausgearbeitete Abenteuer inklusiver zweier Kampagnen; eine davon über Intrigen am Hofe Wotaniens, die andere eine Entdeckungsreise frei nach Vernes "In 80 Tagen um die Welt".

Abgerundet wird diese Materialfülle durch ein umfassendes Bestiarium, das die Spieldaten zu Untoten, Kreaturen, Monstren, Maschinen, Geistern, und namhafter Krimineller liefert.


Ein Fazit
Selten habe ich ein Grundregelwerk in der Hand gehabt, das mich derart zum Spielen verleiten wollte. Kann man schon mit einem Steampunksetting wenig falsch machen, so setzen schon die fantastischen Elemente dezente interessante Ideen. Im Settingteil schließlich hat mich die Fülle von Abenteuervorschlägen schier überwältigt, die von den ausführlichen Kampagnen und Szenarien abgerundet wird.
Zudem beweist Wolsung auch, dass Deutschland im Laufe der Geschichte nun einmal die besten Bösewichte für Pulpgeschichten gestellt hat. Zwar sind die Parallelen Wotaniens zum NS-Regime nur marginal, aber schon der erste Quartermain-Film mit Richard Chamberlain hat bewiesen, dass auch kaiserliche Soldaten mit Pickelhaube gute Bösewichte abgeben können. Wie es auch ein Kommentarkasten im Settingteil offen gesteht: Im Grunde haben die Entwickler die Epoche so gewählt, dass man gegen Nekromanten in schwarzen Uniformen antreten kann.

Auch das Regelsystem gefällt mir sehr gut, indem es sehr gut einerseits die Einbringung der Spieler via die diversen Einsatzmöglichkeiten von Karten und Token sowie die auf das Spielerlebnis fokussierten Archetypen ermöglicht, andererseits aber genug Regel"crunch" in Form klar formulierter Skills, Vorteile und Gadgeteffekte liefert.
Die Autoren haben selbst eingestanden, wie sehr unter anderem Savage Worlds sie beeinflusst hat - für mich ein gutes Vorbild, das sich in der Spielbarkeit gut wiederspiegelt.

Ein kleinerer Kritikpunkt ist vielleicht die Organisation des Buches. Zwar ist die Strukturierung sehr gut und auch die Querverweise sorgen dafür, dass man wichtige Grundregeln schnell wiederfindet; allerdings habe ich mit der Reihenfolge der Kapitel ein kleines Problem. So beginnt das Buch direkt mit der Charaktererschaffung, ohne im Vorfeld die Grundmechanismen zu erklären, so dass man bei der Lektüre nicht direkt erkennen kann, welche Auswirkung die diversen Entscheidungen haben. Die aber bereits erwähnten zahlreichen Querverweise allerdings machen diesen Makel so gut wie wieder wett.

Für den Preis von 29,00 Euro kann ich Wolsung: Steam Pulp Fantasy nur wärmstens empfehlen. Ich selbst fiebere schon den angekündigten Übersetzungen entgegen: Soll zuerst ein Band mit einer ausführlichen Beschreibung der anderen Kontinente erscheinen, so erfreuen sich unsere polnischen Nachbarn diverser Quellenbücher über die von London inspirierte Metropole Lyonesse oder die Feldzüge des untoten General ven Rier. Ich werde bei Erscheinen auf jeden Fall zugreifen.


Alle Grafiken in diesem Beitrag stammen von www.steampulpfantasy.com.

2 Kommentare:

Roger hat gesagt…

Ich erlaube mir mal, hier drauf in unserer eigenen Kurzbesprechung zu linken, die morgen online geht

Klaus hat gesagt…

Sehr gerne. Links hierhin sind immer willkommen.

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