[Rezension] Spiele-Comic "Ritter 1: Wie alles begann"

30.09.2017
2014 gab der französische Verlag Makaka Editions den altehrwürdigen Spielbüchern einen neuen Dreh: Statt sich nur durch einfachen Text zu arbeiten, glänzen die Spiele-Comics mit ansprechenden Bildern. Dieses Jahr erschienen zwei erste Bände bei Pegasus Press, die beide einen genaueren Blick wert sind. Widmen wir uns also zunächst dem ersten Band von der Serie Ritter: Wie alles begann.


Zunächst: Ein Wort der Warnung
Ich bereits seit etlichen Jahren im Supportteam von Pegasus Spiele tätig und versuche, andere von deren Veröffentlichungen zu überzeugen. Mit den Spiele-Comics kam ich nur als Leser in Berührung, aber dennoch sollte man diesen Hintergrund bei der Lektüre dieser Rezension nicht vergessen.


Die französischen Spiele-Comics
Auf dem französischen Markt hat Makaka Editions schon eine breite Palette an Spiele-Comics veröffentlicht, allein von den Rittern gibt es bereits vier Bände. Dazu kommen noch andere Serien wie Sherlock Holmes (von der der erste Band ebenfalls von Pegasus Press übersetzt wurde) oder Pirates, dazu kommen noch Einzelbände mit Spartenthemen wie Mystery, Western oder Crime. Wer im Gegensatz zu mir des Französischen mächtig ist, kann auf Makaka Editions Online-Katalog mehr erfahren.



Das Buch
Die Spiele-Comics erscheinen als Hardcover im A5-Format. Die Seiten sind vollfarbig auf dickem beschichteten Papier. An eine kurze Vorgeschichte schließt sich das eigentliche Abenteuer mit insgesamt 387 Abschnitten an. Die Zeichnungen sind von flottem überzeichnetem Strich. Die Figuren sind nicht ganz nach meinem Geschmack, dafür finde ich aber die Hintergründe und Landschaften um so ansprechender. Die wenigen Regeln - dazu unten mehr - finden sich im Verlauf der Einleitung auf einer übersichtlichen Doppelseite, im Anhang findet sich zudem ein einseitiger Charakterbogen für Notizen.



Willkommen in der Welt der Ritter
Drei einfache Bauerngehilfen haben genug von ihrem einfachen Leben und machen sich auf den Weg zum Königspalast, um ihre Ausbildung zum Ritter zu beginnen. Zwar kann man zu Beginn wählen, ob man den eigenen Schwerpunkt auf Klugheit, Stärke oder Geschick setzen will. Dies hat aber im späteren Spiel kaum Auswirkungen: Nur Stärke begrenzt die Zahl an Gegenständen, die man mitnehmen kann, ansonsten gelten die Werte nur als Mindestbedingung, um bestimmte Fundstücke mitnehmen zu dürfen. Kämpfe oder auch nur Proben gibt es nicht, vielleicht wird sich das aber im zweiten Band ändern.

Dafür muss man allerdings erst einmal beweisen, dass man des Ritterschlags würdig ist. Innerhalb von fünf Tagen gilt es möglichst viele Bändchen der Beherztheit einzusammeln. Der Verlauf der Zeit wird durch immer wieder in ein Bild eingefügte Mondsymbole dargestellt, manchmal ergibt sich aber auch aus dem Begleittext, dass ein Abschnitt der Reise einen ganzen Tag hat verstreichen lassen. Sind die fünf Tage vorbei, muss der Leser von allein den letzten Abschnitt aufsuchen - hoffentlich mit einer ausreichenden Menge am Bändchen im Gepäck.

Sechs verschiedene Pfade rund um das zentrale Schloss stehen zur Auswahl, um die 387 Abschnitte des Bandes (abzüglich der kurzen Einleitung natürlich) zu erkunden.



Der Weg ist das Ziel
Ist man dann endlich auf seine Erkundungsreise durch das Königreich aufgebrochen, passiert zumeist... gar nichts. Tatsächlich nimmt sich Band 1 von Ritter sehr viel Zeit, den Weg zu illustrieren, und schafft damit ein ganz eigenes Spielgefühl. Bild für Bild sieht man, wie etwa am Horizont eine Stadt auftaucht, man entlang der Mauer weitergeht und schließlich am Haupttor ankommt. Oder wie beim Weg ins Gebirge der Pflanzenwuchs immer spärlicher wird und der Boden zunehmend mit Schnee bedeckt ist. Oder wie man sich durch die Straßen einer Ruinenstadt pirscht. Oder, oder, oder...
So sind auch die Reiseziele vielfältig: In der Grafschaft Nekashu mischt man sich unter die Bewohner der der Stadt und der umliegenden Dörfern. Ein hoher Gipfel will erklommen werden, ein Sumpf durchquert und in einem Labyrinth versteckt sich sogar ein Drache.

Es lohnt sich aber, auf der Reise die Augen aufzuhalten: Immer wieder sind in den Illustrationen Zahlen versteckt, die den Pfad zu abseits des Wegs weisen: so etwa alternative Routen, kleine und große Schätze. Selbst nachdem ich alle sechs Anfangsrouten, die in ihrem Verlauf natürlich zusammenfinden, abgegangen war, entdeckte ich beim Blättern immer noch einzelne Passagen, die ich auf meiner Reise übersehen hatte.

Aber selbst wenn man munter an den Verstecken vorbeirennt, so gibt es doch genügend Aufgaben zu lösen, um eine ausreichende Menge an Bändchen der Beherztheit einzusammeln. Zwar findet sich immer mal wieder eines gut am Wegesrand versteckt, aber nur wenn man die diversen Rätsel des Bands löst, wird man nach der Fünftagesfrist auch genügend beisammen haben. Die Aufgaben bleiben dabei oft auf dem Niveau einfacher Bilderrätsel: Wie muss man die Achse drehen, damit sie in das abgebrochene Rad passt? Welchen der zahlreichen Schraubenzieher möchte der Schmied angereicht bekommen? Welcher Flicken repariert den Karrenboden? Bei den Lösungen muss man zu sich selbst ehrlich sein, im folgenden Absatz wird man einfach nur gefragt, ob man denn auch wohl die richtige aus den angebotenen Antworten gewählt hat.

So braucht man auch tatsächlich mehrere Anläufe, bis man den perfekten Weg durch das Königreich gefunden die nötige Zahl an Bändchen der Beherztheit gefunden hat. Wieviele das genau sind? Nun, das muss jeder für sich selbst herausfinden, bekommt der Leser es ja auch erst am Ende seiner Reise gesagt.



Ein Fazit
Der Spielbuch-Comic Ritter - Wie alles begann ist ein ansprecher Einstieg in eine größere Serie. Die Möglichkeiten des Mediums Comic machen die tagelange Reise durch das Königreichs zu einem besonderen Erlebnis. Die Verwendung von Bildern erlaubt Rätsel und versteckte Abzweigungen, die in einem reinen Textabenteuer gar nicht umsetzbar wären.

Zwar sind die Rätsel nicht sonderlich schwer und auch die Eigenschaften der eigenen Figur kommen nur selten zum Tragen, dies schmälert den Lesespaß aber nicht wirklich. Das Zeitlimit, in nur fünf Tagen genügend Bändchen der Beherztheit zu finden und sich so als Ritter zu beweisen, ist dafür überraschend fordernd. Nicht zuletzt deshalb bleibt man motiviert, auch den letzten Winkel des Königreichs zu durchwandern.

Mir hat der Spielbuch-Comic Ritter - Wie alles begann jedenfalls ausgesprochen gut gefallen. In diesem Herbst soll auch Band 2 erscheinen - ich bin jetzt schon gespannt.


Die spröden Fakten
Titel: Ritter - Wie alles begann
Szenario - Zeichnung - Farben: Shuky - Waltch- Novy
Verlag: Pegasus Press 2017
ISBN: 9 783957 891013
Preis: 14,95€

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