Buchhaimer Dungeoncrawl Teil 3: Auf ins Abenteuer

31.07.2012
Seit der Lektüre von Walter Moers "Das Labyrinth der Träumenden Bücher" reizt mich der Gedanke, die Abenteuer der Librinauten bei ihrer Suche nach wertvollen Schriften in den Katakomben unter Buchhaim nachzuspielen. In dieser Artikelserie fasse ich den Gedanken in klare Worte: Teil 1 befasst sich mit der Moersschen Vorlage, Teil 2 stellt die Frage nach passenden Systemadaptionen.
Im dritten und letzten Teil dieser Serie beleuchte ich nun die in den Romanen beschriebenen Details der Buchhaimer Unterweilt, denen sich die wagemutigen Librinauten bei ihren Abenteuern in den Katakomben stellen können.


Buchhaim
Bevor jedoch ein tapferer Librinaut in die Katakomben herabsteigt, gibt es genug für ihn an der Oberfläche in der Stadt Buchhaim selbst zu erledigen. So können die diversen Sammler und Antiquare die Rolle der Auftraggeber übernehmen, die die Abenteurer erst auf die Suche schicken; oder sie kaufen nach hartnäckigem Feilschen die diversen Fundstücker der Librinauten an.
Nach Moerschem Vorbild sollte es ein Leichtes sein, beispielsweise diverse Eydeeten zu erschaffen, die auf ganz bestimmte Bücher gemäß ihrem Spezialgebiet aus sind:

  • Dr. Yusuf al Stieglitzer
    Der vierhirnige Eydeet ist ein anerkannter Sprachwissenschaftler sowie Liebhaber der altzamonischen Lyrik und immer entzückt, wenn ein Librinaut einen Gedichtband alter Meister wie etwa Umon van Aahrten oder Edillwarth Veender Gowerov für ihn erbeutet. Preisverhandlungen mit Stieglitzer erweisen sich oft als langwierig und nervenaufreibend, da er jedes Wort in dem Dialog auf die Goldwaage legt und auf dessen Grammatik, Wortwahl und Interpretation penibel seziert. Mit kurz angebundenen Betragsforderungen hat man bei ihm jedenfalls seltenst Erfolg.
  • Dipl. nacht. Ibrahim Zilpzalper
    Der waghalsige dreigehirnige Eydeet hat sich einem besonders gefährlichen Forschungsthema verschrieben: Der Lichtforschung. Er befasst sich mit den intelligenzhemmenden Auswirkungen von Licht auf insbesondere das eydeetische Denkvermögen; und böse Zungen behaupten hinter vorgehaltener Hand, ursprünglich habe Zilpzalper vier Gehirne besessen, von denen eines bei seinen Forschungen schlicht verkümmert sei. Der Eydeet ist in seinem Verhalten zwar etwas exzentrisch - eine Begleiterscheinung seiner tollkühnen Forschungen und Selbstversuche - zahlt aber gute Preise für altertümliche Forschungstraktate, die beispielsweise von Licht als ein vom Betrachter ausgesandte Welle zur Abtastung der Umgebung berichten.
  • Prof. Maruf Schwalber
    Der fünfgehirnige Speläologe gilt als Koryphäe auf dem Gebiet der Höhlenforschung. So gilt sein Interesse an den Funden der Librinauten weniger literarischen Schätzen oder der Befriedigung eines schnöden Sammeltriebs, sondern den diversen Sporen, Grünspan und Schimmelpilzen, die sich an den Büchern und Manuskripten in den Katakomben festsetzen. Je tiefer in den Katakomben ein Manuskript geborgen wurde, desto wertvoller ist es für Professor Schwalber - selbst wenn es sich um eine billige Taschenbuchausgabe von gesammelten Mythenmetzschen Abschweifungen handelt.
Doch auch abseits der potentiellen Abnehmer der diversen Katakombenfundstücke gibt es diverse Bewohner Buchhaims, mit denen ein Librinaut regelmäßig zu tun haben kann:

  • Storrvisch Stokk
    Der Blutschink fortgeschrittenen Alters betreibt nur auf den ersten Blick einen Souvenierladen mit touristischem Tand über die Librinauten. Tatsächlich finden sich in seinen Hinterzimmern diverse und mitunter auch obskure Ausrüstungsgegenstände, die einem Abenteurer das Überleben in den Katakomben erleichtern. Stokk, der in jungen Jahren selbst einmal dieser Profession nachging, vermag zu jeder seiner diversen Narben und Blessuren eine Geschichte zu erzählen - und die Erzählung, wie er seine linke Hand verlor, hat schon so manchem Möchtegern-Librinauten den Angstschweiss auf die Stirn getrieben.
  • Sjarno Turdommer
    Der nattifftoffische Bürokrat jagt manchem Librinauten größere Angstschauer über den Rücken als die gefährlichste Bedrohung der Katakomben. Turdommer ist Vorsitzender der Buchhaimer Steuerbehörde und als solcher penibel darauf aus, daß die Librinauten die Ausbeute ihrer Expeditionen in seitenlangen Einkommenserklärungen detailliert anmelden. Vorladungen zu einer Steuerprüfung in das Buchhaimer Finanzamt sind seinetwegen gefürchtet, nicht zuletzt deswegen, weil der pedantische Nattifftoffe einige Librinauten sogar mehrere Tage verhört haben soll.
    Hinter vorgehaltener Hand allerdings munkelt man, daß Turdommer mit alten Steuerakten der Buchhaimer Behörden, die in diversen Archiven der Katakomben verschimmeln, mit etwas Glück milde gestimmt werden kann.

Die großen Schätze der Katakomben
Als die wertvollsten Trophäen unter Buchhaimer Sammlern gelten die Werke auf der Goldenen Liste, deren Fund einen Librinauten auf einen Schlag steinreich machen können. Einige davon werden in den Mythenmetz-Romanen auch konkret genannt:

  • Das Blutige Buch, ein Werk der Dämonistik, in Fledertrattenhaut gebunden
  • Die Dämonenflüche des Nomino Norken, die nur in Manuskriptform erhalten sind
  • Das Handbuch der gefährlichen Gesten
  • Prinzessin Silbermilch, in der signierten in Nurnenblätter gebundene Erstausgabe
  • Das Buch der Kannibalen, dessen einziges Exemplar beim großen Brand von Buchhaim vernichtet worden sein soll
  • Die Zwölftausend Regeln, deren einziges Exemplar ebenfalls den Flammen zum Opfer gefallen sein soll
  • Das Schweigen der Sirenen, der erste Trivialroman von Graf Klanthu zu Kainomaz, der wegen seiner Erfolglosigkeit bis auf ein Exemplar eingestampft und erst beim späteren Erfolg des Autors begehrt - und unbezahlbar - geworden ist.
  • Die Sonnenchroniken, die ihren Wert vor allem dadurch erhalten, daß Die Druckerschwärze mit dem gemahlenem Staub von Mondfinsternis-Diamenten vermischt ist.
  • Der Schrecksenhammer
Unter den Buchlingen existiert noch die Diamantene Liste, die unter anderem das - im wahrsten Sinne des Wortes - Schwere Buch enthält oder die Privatbibliothek des Bücherfürsten Yogu Yazella des Jüngeren, deren Werke allesamt in die Häute einmaliger Tiere gebunden sind .Diese Bücher allerdings sollten aber auch für den tüchtigsten Librinauten schier unerreichbar sein...


Die weniger großen Schätze der Katakomben
In jüngster Zeit erlebte ein fast vergessenes Genre eine kleine Renaissance unter den Buchhaimer Antiquaren und Sammlern: Die Abenteuerlichen Ludilibri. Basierend auf ähnlichen Rezepturen wie der Buchwein, der den Trinker die Entstehung eines Buches am eigenen Leib erfahren lässt, so warben die Ludilibri damit, den Leser in die Handlung einzubeziehen und sogar auf ihren Verlauf Einfluß zu nehmen.
Neben enthusiastischen Bewunderern erntete die neue Literaturform aber auch schnell harsche Kritik. So monierte der angesehene Kritiker Bordiman Balloramik, diese Werke legten die Autorenschaft zu sehr in die Hand des gemeinen Pöbels. Diverse Lesezirkel vermuteten hinter der immersiven Rezeptur der Bücher den Auslöser für Schlafwandeln, Völlegefühl und Ohrensausen. Das bis heute notorisches Traktat "Finstere Verliese" des ominösen Gilbmännleins C. C. Khajick schließlich bezichtigte die Ludilibri sogar, sie seien nichts weiter als niedeträchtige Lockschriften der Finsterkammdämonen, fand zum Glück aber nur wenig Beachtung bei der breiten Öffentlichkeit.

Und so schritt die nattifftoffische Bürokratie schnell ein und verbot kurzerhand die Herstellung und den Verkauf der Abenteuerlichen Ludilibri. Einige Exemplare sollen zu reinen Archivzwecken in die Katakomben geschafft worden sein; und einige Sammler sind derzeit auch durchaus bereit, ein hübsches Sümmchen für ihre Bergung springen zu lassen. Unter den Autoren der Ludilibri finden sich beispielsweise:

  • Yggy Xaarg und Esa von Darne
    Der in Ehren ergraute Zwiezwerg galt als Pionier auf dem Gebiet der Ludilibri und verfeinerte die ersten Rezepte zu deren Herstellung. Insbesondere die Erstausgabe ihres Debüts Die Schwarze Heide aus dem Zyklus Schlösser und Schrecksen erzielt heute bei Sammlern Höchstpreise.
  • Wius Olkerich
    Der hünenhafte Rübenzähler hatte mit seinem betont atmosphärischen Erzählstil eine grosse Fangemeinde um sich scharen können, wenn auch seine Kritiker ihm vehement die rigide Gängelung des Protagonisten in seinen Geschichten vorwarfen.
  • Anene Tyssderp
    Der umtriebige Hundling ist der Autor einiger Standardwerke wie etwa Der Schrei der Hutze oder der umfangreichsten zamonischen Abhandlung über Suche nach archaische Trollrunen.
  • Yens E. Ayschenhall
    Der Großfüssige Berte gründete für seine Werke extra den Turmspitzen-Verlag. Erschienen zuerst seine Kurzgeschichten in den Totlanden, so baute er diese Jahre später zu dem von Leserschaft und Kritikern hochgelobten vielseitigen Wildlande-Zyklus aus.
  • Wodd Narser
    Der rechthaberische Natifftoffe machte vor allem durch seine ausufernden theoretischen Thesen über die Lesearten der Ludilibri von sich hören. Sein Hauptwerk umfasst nur einige wenige Titel aus der Reihe Der Hexerich.
  • Ginni Hirtensack
    Der bescheidene Nebelheimer verteilte zunächst seine handgeschriebenen Manuskripte mit altmodischen und etwas romantisch verklärten Abenteuergeschichten über die Librinauten an Buchhaimer Strassenecken. Der überraschend große Zuspruch führte schließlich zu einer Kooperation mit dem TickTack-Kleinverlag, der Hirtensacks Werke einem größerem Publikum zugänglich machte.
  • Orme Zimthelm
    Der tiefschwarze Buntbär war vor allem für seine Sekundärliteratur und Übersetzungen zu den Werken anderer Autoren bekannt. Sehr beliebt waren seine regelmäßigen öffentlichen Diskussionen über den gegenwärtigen Stand des Autorengewerbes, die er in der Zwiebelfischgasse von einem hölzernen Podium herab moderierte.

Abstieg in die Katakomben

"Finden Sie es abenteuerlich, in einer Welt unterwegs zu sein, in der man aus Sauerstoffmagel jederzeit einschlafen kann, um vielleicht nie mehr zu erwachen? Finden Sie riesige Höhlen voller Getier und mit meterlangen Fühlern abenteuerlich? Hm? Finden Sie Lavaströme abenteuerlich, in denen man in einer Sekunde verbrennen kann wie ein Blatt Papier? Oder was halten Sie von Gasen, die ganze Tunneletagen eplodieren lssen, wenn nur ein einziger Funke fliegt? Plötzliche Wasser- und Schlammeinbrüche, die ganz Gänge füllen? Tektonische Verschiebungen ohne jede Vorwarnung? Oder unauslöschliches Feuer? Zehrende Flammen, die seit zweihundert Jahren durch die Labyrinthe wandern wie ruhelose Geister - ist Ihnen das abenteuerlich genug?"
Aus: Walter Moers, "Das Labyrinth der Träumenden Bücher", Seite 348
Wagt sich ein Librinaut schließlich auf der Jagd nach literarischen Kostbarkeiten in das Labyrinth unter der Stadt, so findet er zunächst ein einzigartiges, in sich geschlossenes Ökosystem vor. Eigentlich nur als schlichtes unterirdisches Archiv gedacht, sind die Katakomben über die Jahrhunderte zu einem einzigartigen Ort geworden, der für sich allein schon tausend Gefahren für Leib und Leben birgt.

Die Buchhaimer Rüssel
War der Zugang in dieses Labyrinth während von Mythenmetz erstem Aufenthalt in Buchhaim nur durch geheime Passagen möglich, so taten sich mit dem großen Brand vor 200 Jahren tiefe Schlote auf, die direkt von der Oberfläche in die Katakomben führen. Diese im Volksmund Buchhaimer Rüssel genannten Zugänge sind nun eine Touristenattraktion. Jeder ist nach einem berühmten Autoren benannt, mit Sicherheitsreling versehen und zumeist mit einer steilen Treppe ausgestattet. Neben den Librinauten trauen sich nun auch wagemutige Touristen, einige Schritte in die Katakomben zu unternehmen.

Die Relikte der Rostigen Gnome
Wirklich erschlossen wurde das ausufernde unterirdische Archiv erst von den lange ausgestorbenen Rostigen Gnomen, deren Skelette man noch in vereinzelten Lüftungschächten finden kann. Neben kanalisierten Flüsse und Magmaströmen, eiserne Treppen und Verbindunsschächte ist ihr Hauptwerk die inzwischen verfallene Bücherbahn, die den Transport zwischen den einzelnen Archivgrotten der Katakomben automatisierte. Einzelne Streckenabschnitte dieser Bahn sind bis heute im Labyrinth zu finden.
Auch hinterliessen die Rostigen Gnome gewaltige Bibliotheken mit mechanischen, chemischen und physikalischen Lehrbüchern. Da ihre Schrift ist aber bis heute unentziffert ist, sind viele ihre Errungenschaften weiterhin verloren.
Eine ihrer Schöpfungen jedoch hat den Zahn der Zeit bis heute überdauert: So züchteten sie einen speziellen, mit Leuchtalgen und Schimmelpilzen gekreuzten Rost, der die gesamte Bücherbahn überzog. Diese von den Bewohnern der Katakomben Schimmerschimmel genannte Substanz kann weder eindeutig den Mineralien noch dem Pflanzenreich zugeordnet werden und wuchert bis heute durch das Labyrinth, in dem es als fahle Lichtquelle dient.

Der Magmoss
Dieser legendäre Unterweltstrom wälzt sich wie eine riesige Schlange träge durch die Katakomben und reißt alles in seinem Weg mit. So ändert der Magmoss auch ständig sein Aussehen: Mal ölig-schwarz nach dem Fluss durch alte Kohleflöze oder grau wie Papyrusbrei nach der Passage durch antike unterirdische Bibliotheken, an anderen Tagen voll glühender und zischender Lavabrocken oder erkalteter Magma, die ihm seinen Namen gegeben hat.
Auch sein Gestank, der Kopfschmerzen und Depressionen auslöst, ändert sich mit dem, was er transportiert: Mal nach Schwefel, mal nach Öl, mal nach Kampfer oder toten Tieren.
Bei dem Großen Brand vor zweihundert Jahren tat sich zudem in einem Buchhaimer Stadtteil ein fast hundert Meter langer und fünfzig Meter breiter Krater auf, auf dessen Grund man direkt auf einen Arm des Magmoss blicken kann. Nachdem mehrere Versuche scheiterten, diese Kluft wieder zu schließen, ist dieses Viertel nun unbewohnbar und verlassen.

Unhaim
Die riesige Grotte mit einem Umfang von einem Kilometer ist die Müllkippe der Katakomben. Die Decke ist perforiert mit unzähligen Schächten, aus denen sich regelmäßig Gerümpel aus Staub und Papier entleert. Bücherpiraten entsorgen so ihre Opfer, Bücherfürsten ihre Abfälle und Fäkalien, Buchimisten entledigten sich so ihres Giftmülls und missglückter Experimente. Unhaim ist so Heimstatt seltsamster Kreaturen, die man sonst nirgends in den Katakomben  findet: Farblose Krebse, leuchtende Skorpione und Ameisen, riesige Raupen und durchsichtige Schlangen tummeln sich hier neben Mischwesen mit Schuppen und Flügeln, Hörnern und Zangen. Andere sprechen von Titanenmaden und dem Siegerwurm, einer kirchturmgroßen Kreatur mit hunderten Fühlern und Beinchen an der Bauchseite, gekrönt von einem runden Schlund mit spitzen Zähnen.
Die Stollen nahe Unhaim wurden zudem über Jahrhunderte als Begräbnisstätten genutzt. Angeblich sollen hier sogar Bücherfürsten in versteckten Mausoleen mit ihren Schätzen und raffinierten Fallen beerdigt worden sein.Die Librinauten meiden das Umfeld von Unhaim grundsätzlich - selbst wenn hier also noch unentdeckte Kostbarkeiten verborgen sein sollten, sind selbst den hartgesottenen Schatzjägern die Gefahren dieser Region zu groß.

Die lederne Grotte
Die sagenumbobene Heimstatt der Buchlinge wurde nach den ledernen Bucheinbänden benannt, mit denen sämtliche Wände tapeziert sind. Hildegunst von Mythenmetz berichtetete in "Die Stadt der Träumenden Bücher", wie dieser Ort von den alten Bücherjägern völlig zerstört wurde. Der Verbleib der Buchlinge oder der Zustand der Grotte nach dieser Invasion ist bis heute ungewiss.


Widersacher und Höhlenbewohner
Als wäre die bloße Umgebung der Katakomben nicht schon gefährlich genug, so tummeln sich im Labyrinth noch zahlreiche andere Kreaturen, Gegenspieler und Fallen, die einem mutigen Librinauten das Leben schwer machen.

Harpyre
Der blinde Flugsaurier treibt seine Opfer mit seinem Jagdschrei in den Wahnsinn. Oft hastet ein Librinaut noch orientierungslos durch die Finsternis, während ein Harpyr mit seinen Rufen sein Opfer genau orten kann. Haben der krumme Schnabel und die scharfen Krallen den Fang schließlich kampfunfähig gemacht, so saugt die gespaltene , mit zwei spitzen Stacheln bewehrte Zunge dem Opfer das Blut aus.

Spinxxxxen
Mit ihren sechzehn Beinen bewegt sich die riesige Doppelspinne mühelos auch durch die unwegsamsten Stellen der Katakomben. Mit ihrem Rüssel verschlingt sie alles, was sich ihr in den Weg stellt - sofern ihre empfindlichen Beine es ertasten, denn Gehör und Geruchssinn sind verkümmert. Resistent gegen Gifte und mit einem steinharten Panzer versehen, ist ein direkter Konflikt mit einer Spinxxxx zumeist aussichtslos.
Der Urvater der Librinauten Colophonius Regenschein hielt diese Kreatur für eine perfekte Symbiose für die treibenden Kräfte der Unterwelt: Tier, Pflanze und Mineral.

Buchpiraten
Trotz der kaum erforschten Untiefen der Katakomben werden diese immer noch als Archiv genutzt; kein Wunder bei den zahlreichen Neuerscheinungen, die ständig den Buchhaimer Literaturmarkt überfluten. Im Gegensatz zu den Librinauten, die sich in die gefährlichen Untiefen der Gewölbe herabwagen, lauern Buchpiraten den Transporten mit neuen Einlagerungen diverser Erstauflagen auf oder überfallen die Umzüge von Regalabschnitten von einer Bibliothek in die andere. Viele Buchpiraten sind knallhart kalkulierende Spekulanten, die oft ein untrügliches Gespür dafür entwickeln, welche neuen Werke sich bald als wertvolle Geldanlage entpuppen.
Nicht selten kommt es auch zu hitzigen Gefechten unter zwei Piratenbanden um die wertvolle Beute; und so kann man gerade in den oberen Ebenen der Katakomben die Spuren solcher Kämpfe vorfinden.

Touristen
Durch die Buchhaimer Rüssel wurde es jedem dahergelaufenen Gernegroß möglich, sich in die Katakomben hinabzuwagen. Zwar kommen die meisten Abenteurer in dieser gefährlichen Umgebung nicht weit und treten schnell den Rückzug an, einige von ihnen allerdings sind mit ungeheurem Dusel gesegnet, so daß sie auch die tödlichsten Fallen unbeschadet überstehen. Und so treffen immer wieder Librinauten in den Tiefen der Katakomben auf einen freundlich lächelnden Touristen, der sich "nur mal ein wenig umschauen wollte" - und bekommen dann die tödliche Wirkung der nächsten Falle, die der unbedarfte Tollpatsch auslöst, garantiert  selber ab.

Buchgolems
Der verheerende Brand vor zweihundert Jahren hatte seinen Ursprung im alten Stadtzentrum Buchhaims, in der sich vor allem buchimistische Laboratorien befanden. Während die Oberfläche des dabei verheerten Stadtteils heute nur noch als die Giftige Zone bezeichnet wird, haben unzählige buchimistische Substanzen bei dem Feuer ihren Weg in den Untergrund gefunden und mit den Inhalten der Katakomben reagiert.
Dabei entstanden die sogenannten Buchgolems, mächtige Türme aus wandelndem Papier, Einbandresten und Buchleim. Kern jeder dieser Kreaturen und bestimmend für ihren Charakter sind die diversen Schriftstücke, die sich dabei im Kopf zusammengefunden haben. So sind Librinauten bereits einem Buchgolem begegnet, der ein Kapitel von Danzelot von Silbendrechslers "Vom Gartengenuss" in sich trägt und seit Jahrzehnten stoisch versucht, in einem Beet aus verrottendem Papier Blumenkohl zu züchten. Andere berichten von einer Kreatur mit Illustrationen von Oved Usengart im Kopf, die beharrlich in akribischer Feinarbeit die kahlen Steinwände mit ziselieren Illustrationen versieht. Und während ein Buchmann, der sich angetrieben von den Schriften Ugor Vochtis an den Gewölbedecken von Leuchtqualle zu Leuchtqualle schwingt, noch ein putziger Anblick ist, erweist sich ein Golem, in dessen Schädel eine Passage aus Nuss Tus "Ernst ist der Krieg, heiter ist die Kunst" schlummert, oft als gewiefter und kampfstarker Gegner.

Papieranhas
Die fahlgrauen Lungenfische sind eine heimtückische Gefahr für jeden Librinauten. Mit ihren papierdünnen und messerscharfen Zähnchen zerhacken sie in wenigen Sekunden selbst den größten Folianten zu Schnippseln und Staub, in dem sie sich dann auf der Suche nach neuer Nahrung in anderen Bibliotheken fortbewegen. Während diese Areale aus Treibstaub schon heimtückisch genug sind und schon so manchen Librinauten in den Untergang gesogen haben, schützen nur die härtesten Rüstungen vor den tödlichen Zähnen eines Schwarms von Papieranhas.

Lebende Bücher
Im sagenumwobenen Schloss Schattenhall sollen Bücher gehaust haben, die lebten und auf die Jagd gingen, um zu überleben. Auch in der Ledernen Grotte sollen die Buchlinge solche Exemplare versorgt haben, die sich nicht fortbewegen konnten.

Gefährliche Bücher
Zur Blütezeit der Bücherjäger schreckten diese vor nichts zurück, um unliebsame Konkurrenten aus dem Weg zu räumen. Etliche Bücher wurden zu tödlichen Fallen umgebaut, und es ist zu befürchten, dass bis heute solch unliebsame Überraschungen auf einen mutigen Forscher warten.
Fallenbücher ahmen kostbare Fundstücke nach, offenbaren in ihrem Inneren aber nur vergiftete Pfeile oder Glassplitterkatapulte, ätzende Säuren oder giftige Gase. Vor allem zum Schutz vor diesen teuflischen Apparaturen kleideten sich die Bücherjäger in ihre Rüstungen, Masken und Helme - eine Tradition, die sich bei den Librinauten bis heute erhalten hat.
Toxinbücher sind Relikte aus dem zamonischen Mittelalter. Kontaktgifte sollten in politischen oder gesellschaftlichen Kreisen unbeliebte Widersacher aus dem Weg räumen. Von unheilbaren Krankheiten oder Lähmung, Wahnsinn und Tod bis hin zu Haarausfall, Schüttelsucht oder Gedächtnisverlust konnten die Toxinbücher eine Vielzahl an unangenehmen Wirkungen entfalten. Heute sind solche Werke zwar aus der Mode gekommen und werden auch moralisch geächtet, doch wer kann sagen, ob in den unterirdischen Archiven nicht noch Exemplare davon lauern?
Analphabetische Terrorbücher boten eine besonderen Tiefpunkt der Buchhaimer Geschichte. Eine literaturfeindliche Sekte von Analphabeten entwickelte diese Sonderform der Fallenbücher, die beim Öffnen einen ganzen Buchladen in die Luft jagen konnte. Auch hiervon mögen etliche Exemplare in den Bibliotheken der Katakomben verstauben.


Schlußwort
Nachdem der aktuelle Zamonienroman "Das Labyrinth der Träumenden Bücher" mit einem von den Lesern vielfach gegeisselten offenen Ende abschloss, kann man sicher sein, daß Walter Moers noch ein drittes Mal in die Gewölbe unter Buchhaim zurückkehren und weitere Inspirationen für Rollenspielabenteuer in den Katakomben präsentieren wird.
Ob ich selbst mit meiner Runde einmal das Labyrinth am Spieltisch erforschen werde, ist eher fraglich, denn derzeit harren noch genug andere Systeme und Abenteuer darauf, von uns bespielt zu werden. Allen anderen ist meine obige Zusammenfassung, gewürzt mit einigen eigenen Ideen und Anagrammen, vielleicht Inspiration genug für einen Buchhaimer Dungeoncrawl.

Dieser Artikel ist Teil des Karnevals der Rollenspielblogs im Monat Juli. Dieser behandelt die Ökologie der Spielumgebung: Dungeons, Szenarien und Spielwelten. Die Moderation liegt bei Björn Jagnow, alle Beiträge des Monats werden zudem in diesem Thread des Forums der Rollenspielblogs aufgelistet.


4 Kommentare:

Tarin hat gesagt…

Die Ludilibri sind Hammer, auch wenn ich nicht alle Autoren zuordnen kann :D Schöne Artikelreihe!

Klaus hat gesagt…

Danke. Unser buchgewaltiges Hobby verlangte einfach danach, in Zamonien eingebunden zu werden.

Tarin hat gesagt…

Absolut =D
Hab ich übrigens überlesen, womit du das spielen willst?
Und du willst das doch sicherlich mal auf irgendeiner Con in NRW leiten? Vorzugsweise einer, auf der ich anwesend bin.

Klaus hat gesagt…

Ich bin schon längere Zeit kein großer Conbesucher mehr; und wenn doch, dann verbringe ich die Zeit am Stand der stets präsenten Pegasus Spiele und lehre Brettspiele.

Wenn allerdings Interesse da ist, wäre es natürlich schon eine Überlegung, mal ein Con-taugliches Abenteuer zu basteln. Ich werde einmal in mich gehen, Ideen für die gesuchte Kostbarkeit hätte ich schon...

Was das System angeht, sind meine ganz persönlichen Favoriten True20 oder Savage Worlds, wahrscheinlich aber ersteres. Hier wären aber Kommentar in Teil 2 der Artikelserie willkommen.
Ansonsten kannst Du mich auch direkt mal auf das Thema ansprechen, seit heute habe ich ein Impressum mit Kontaktmail.

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