Mauern im Brettspiel

28.11.2014
Inspiriert vom aktuellen Karneval der Rollenspielblogs zum Thema „Mauern“ blicke ich ein wenig über den Tellerrand: Wie werden Mauern in Gesellschaftsspielen eingesetzt? Die Möglichen reichen von der klassischen Sperre über Gebietseingrenzung bis zum aufgesetzten Thema.


Mauern errichten
Diverse Spiele widmen sich dem schrittweisen Aufbau von Städten, Palästen oder ähnlichen Bauwerken, bei denen Mauern eine mehr oder weniger große Rolle spielen.

So steht etwa die Chinesische Mauer im Mittelpunkt von Chang Cheng, bei dem die Spieler genau dieses Bollwerk zum Schutz gegen die Mongolenhorden errichten sollen. Auf variablen Spielplänen stehen sich die Gebiete des Kaisers und der Barbaren in sich überlappenden Provinzen gegenüber. Durch Setzen der eigenen Mauerteile versucht man so die Mehrheit in den chinesischen Provinzen für Pluspunkte, nicht aber in denen der Mongolen für Minuspunkte zu ergattern.

Auch in Island Fortress sollen die Mauern für ein großes Bauwerk errichtet werden. Handelte es sich beim Prototypen noch um die Chinesische Mauer, so geht es in der veröffentlichten Fassung um das Gefängnis von Fort Aldenford. Durch Rollenauswahl erwerben die Spieler Mauerteile, die Reihe für Reihe verbaut werden. Mehrheiten pro Reihe geben Siegpunkte, ebenso von Sonderkarten vorgegebene Muster.

Bei Castellan soll von allen Spielern ebenfalls gemeinsam eine Burg errichtet werden. Karten geben vor, welche Teile man dabei jede Runde verwendet werden dürfen. Hat ein Spieler mit Ecktürmen sowie langen und kurzen ein Areal abgeschlossen, so setzt er ein Kastell seiner Farbe in diesen Hof. Die Siegpunkte werden nicht etwa von der Anzahl der eroberten Höfe bestimmt, sondern der Anzahl der daran angrenzenden Türme – die bei nebeneinanderliegenden Höfen auch doppelt gezählt werden.

In Medina schließlich errichtet man die namensgebende Stadt aus einzelnen Palastteilen, Ställen, Märkten und eben Mauerteilen am Spielfeldrand. Während der Fokus auf der Besitznahme der entstehenden Paläste liegt, so erhält man Bonuspunkte, sobald dieser an die Stadtmauer grenzt.

In Belfort gilt es, eine ganze Stadt zu bauen, die in fünf identische Bezirke aufgeteilt ist. Die Arbeiter der Spieler beschaffen die nötigen Rohstoffe, Karten erlauben anschließend, die diversen Gebäude zu errichten und für Siegpunkte die Mehrheit in einem Bezirk zu erlangen. Zu diesem Zweck sind die Stadtmauern eine von diversen Bauwerken, die für diese Mehrheit nützlich sind, zumal sie ohne die passende Karte gebaut werden können.

Auch in Saint Malo ist die Stadtmauer eines von vielen Elementen, die die Spieler errichten können. Wie bei Kniffel darf ein Spieler dreimal würfeln, um dann mit den resultierenden Symbolen Gebäude im abwaschbaren Spielplan anzukreuzen. Da allerdings auch Piraten gewürfelt werden können, die ab einer gewissen Zahl angreifen, benötigt man zur Verteidigung auch Mauern und Kanonen. Diese helfen zwar gegen die Seeräuber, geben dafür aber keine Siegpunkte.


Mauern als Blockade
Anstatt den Verlauf von Wänden auf dem Spielplan strikt vorzugeben, kann es zentrales Element sein, die Bewegungsfreiheit des Gegners im Spielverlauf gezielt zu behindern. Dieser Mechanismus findet sich vor allem in abstrakten Titeln.

Der Klassiker für Verwendungsart dürfte Malefiz sein, bei dessen simplen Roll & Move-Mechanismus die Blockiersteine das Fortkommen des Gegners behindern. Die nervige Notwendigkeit, für deren Überwindung die exakt passende Augenzahl würfeln zu müssen, zeigt aber deutlich auf, wie alt dieses Spiel schon ist.

Ähnlich alt ist Alcazar (nicht zu verwechseln mit der jüngeren Veröffentlichung von Kosmos), bei der auf einem nur 4x4 Felder großen Spielbrett die Figuren der beiden Gegner zu Beginn in einer Ecke von je 4 Mauern eingesperrt sind. Ziel ist hier, die Mauern so zu versetzen, dass man entweder das Startfeld des Gegners erreicht oder dessen Figur einsperrt.

Auch in Entrapment ist das Einsperren mit den eigenen Mauern das zentrale Spielziel. Jeder der zwei Spieler verfügt über drei Figuren und 25 Mauern, mit denen er auf einem 7x7 Felder grossen Spielbrett alle Figuren des Gegners einsperren muss.

In Quoridor sollen Mauern ebefalls die Bewegung des Gegners einschränken. Hier geht es allerdings nicht um die generelle Bewegunsfreiheit, statt dessen muss die eigene Figur einmal erfolgreich das 9x9 Felder grosse Brett überqueren. Die 20 verfügbaren Mauern werden dazu gleichmäßig zwischen den 2-4 Spielern aufgeteilt.

Bei weniger abstraken Spielen dienen Mauern schließlich nur noch als eines von vielen Elementen. In Keythedral verhindert eine Mauer, dass ein Arbeiter seine Hütte verlässt und somit keine Rohstoffe zum Errichten der Kathedrale beiträgt; im eh mit hunderten von Markern versehenen Roads & Boats dienen Mauern als eine Möglichkeit, die Handelswege des Gegners zu unterbrechen.


Mauern, die es zu stürmen gilt
Während im Tabletop Belagerungsszenarien allseits bekannt sind, wird dieses Thema im Brettspiel nur selten abgebildet. Unter den beliebten Strategiespielen auf BoardGameGeek findet sich hier nur Stronghold, bei dem zwei Spieler (oder vier in zwei Teams) Belagerung und Verteidigung einer Festung übernehmen. Insbesondere die asymmetrischen Fähigkeiten der beiden Fraktionen machen das Spiel sehr reizvoll, und wem die Schlachten zwischen Rittern, Orks und Trollen irgendwann genug sind, der kann mit der Erweiterung Undead auch die wandelnden Toten gegen die Stadtmauern anstürmen lassen.


Mauern als Muster
Gerade bei Plättchenspielen stellen Mauern oft ein optisches Element dar, das die Anlegemöglichkeiten an das Spielfeld vorgibt.

So können die in Alhambra erstandenen Gebäudeplättchen zusätzlich Mauern enthalten, die beim Anfügen an den eigenen Palast auch an der anderen Seite bereits vorhandener Mauern zu liegen kommen müssen. Auch bei Carcassonne geben die Stadtmauern im weitesten Sinne die Anlegemöglichkeiten vor, als dass die so dargestellte Stadtfläche zum ausgelegten Tableau passen muss.

Versöhnlicher ist das kleine Legespiel Cube Farm, bei dem man eine Büroetage mit den namensgebenden Cubicle-Arbeitsplätzen und wichtiger Ausstattung wie dem Fotokopierer oder dem Süßigkeitenautomaten auslegt. Einzige Beschränkung beim Auslegen neuer Karten ist, dass jedes Cubicle noch den zentralen Aufzug erreichen muss, während man selbst versucht, mit wenigen Schritten von den eigenen Cubicles aus durch das entstehende Wandlabyrinth die begehrten Einrichtungen noch erreichen zu können.


Mauern als Beschränkung
Während zumeist ein rechteckiges Spielbrett von vornherein das nutzbare Areal vorgeben, können Mauerteile stattdessen auch erst im Spielverlauf diese Grenzen definieren.

So ähnelt Carcassonne: Die Stadt zunächst dem großen originalen Vorbild, allerdings müssen von den einzelnen Motive der Plättchen – Straßen, Märkte oder Gebäude – nur die Straßen passend gelegt werden. Ist der erste von drei Plättchenstapeln aufgebraucht, können die Spieler zusätzlich Holzmauern um die Stadt herumbauen, die dabei Gebiete abschließen und Wertungen verursachen können. Zudem können die Mauern selbst durch ihre Länge zwischen zwei Türmen Siegpunkte bringen. Zuletzt entscheiden die Mauern über das Spielende: Entweder die Stadt ist vollständig umschlossen, oder die Mauern sind nur noch fünf Felder auseinander.

Den umgekehrten Weg geht Carcassonne: Die Burg. Hier werden zu Spielbeginn zehn Puzzleteile ausgelegt, die den sehr unregelmäßigen Spielfeldrand vorgeben, innerhalb dessen die Spieler ihre Plättchen auslegen können. Sehr elegant dabei: Die Mauerteile fungieren zudem als Siegpunktleiste.


Mauern, die umschließen
Beim Mechanismus der Gebietseinzäunung sind die Mauern selbst nur Mittel zum Zweck, wichtig ist vielmehr die Größe oder Art der umschlossenen Fläche.

Im passend benannten Mauerbauer stellen Mauerteile das zentrale Element dar. Jeder Spieler setzt in seinem Zug ein Mauerteil auf den in Dreiecke aufgeteilten Spielplan, platziert an einem Ende einen Turm in einer von drei Farben und anschließend auf jede Mauerseite eine Hütte, deren Farben durch Würfel bestimmt werden. Ist ein Dreieck komplett eingeschlossen, kommt es zur Wertung entsprechend der passenden Handkarten. Da beim Abschluss einer solchen Stadt auch die Mauer zu einer angrenzenden Stadt entfernt werden darf, wachsen die Städte kontinuierlich und damit auch die Möglichkeiten für Siegpunkte.

Ähnlich müssen die Spieler in Löwenherz eigene Provinzen abgrenzen. Handkarten bestimmen dabei das Bauen und Erweitern von Mauern, aber auch die Rekrutierung von Rittern zur Verteidigung der eigenen Lande. Dass nur die so eroberten Minen auch das nötige Einkommen für diese Aktionen einbringen, trägt zur Ressourcenknappheit dieses Spiels bei.

Bei Agricola hingegen liegt der Schwerpunkt auf den Aktionen der eingesetzten Arbeiter, darunter eben auch die Zucht von Vieh. Um diese aber halten zu können, muss jeder Spieler auf seinem eigenen Tableau die entsprechenden Weiden umzäunen.


Mauern als Thema
Zuletzt gibt es auch diverse abstrakte Spiele, bei denen der Mauerbau als thematischer Überbau herhalten muss – und bei denen auch ein anderes Motiv hätte passen können.

In Chinesische Mauer hat man – wie bei so vielen anderen Spielen – das berühmte asiatische Bollwerk auf ein einfaches Kartenspiel aufgesetzt. Die Spieler legen abwechselnd Karten in diverse wachsende Reihen, bis sie durch ihre Kartenwerte die Mehrheit erlangt haben und sich einen der daneben liegenden Siegpunktmarker nehmen können. Sonderkarten können die Werte anderer Karten dabei noch verändern.

Ist im Kartenspiel Lucca Citta eigentlich der Bau von Palazzi in der gleichnamigen italienischen Stadt die Hauptaufgabe, so können auch hier Stadtmauern errichtet werden. Rundenweise ergänzen die Spieler Stapel mit Geschosskarten der gleichen Farbe auf,  liegt eine von der Spieleranzahl abhängige Kartenzahl, so ist der Palazzo fertig. Alternativ können ungewollte Karten auch verdeckt als Stadtmauer errichtet werden, diese geben aber nur Siegpunkte, wenn die im Bau befindlichen Gebäude ausreichende Schildsymbole zur Verteidigung aufweisen.

Die Erweiterung des Strategiespiels Im Jahr des Drachen bedient sich ebenfalls der Chinesischen Mauer und bietet neue Ressourcen, die die Arbeiter der jeweiligen Spieler einholen können.

Auch bei der Wonder-Pack-Erweiterung des preisgekrönten 7 Wonders ist die Chinesische Mauer enthalten, ist hier aber nicht mehr Dekoration. Zumindest ihre spezielle Regel, ihre drei Segmente in beliebiger Reihenfolge bauen zu dürfen, bildet die Eigenheit des Bauwerks passend ab.


Aber eigentlich geht es doch um Rollenspiel
Eigentlich stammt dieses Thema ja zum von mir moderierten Karnveval der Rollenspielblogs zum Thema Mauern. Wer sich also für Beiträge zu diesem Begriff interessiert, die auch wirklich mit Rollenspiel zu tun haben, findet diese im entsprechenden Thread des Forums der Rollenspielblogs.


Bildquellen: BoardGameGeek

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